Ich arbeite mich erstaunlich zügig an Wolfsburg, Braunschweig und Wolfenbüttel vorbei, nur um dann spätestens ab Schladen und Liebenburg die typischen Harzer Strecken vorzufinden – enge Kurven und ein Auf und Ab, das die 50 PS unter der Haube teils erschreckend gering wirken lassen.
Die reizvolle Landschaft steigert allerdings wieder die Vorfreude auf die Tagesaufgabe: Ein Musikvideodreh mit 18 Kleindarstellern, zwei Musikern und einem Haufen Spezialeffekten, das Ganze eingebettet in den typischen 70er-Jahre Bahnhofskino/ Grindhouse-Stil.
Kaum angekommen, werde ich auch schon herzlich von den bislang bereits eingetroffenen Mitwirkenden begrüßt. Das allgemeine Auspacken, Aufbauen und Umräumen beginnt. Während der Drehort langsam Form annimmt, geht es für mich an die weitere Planung des Drehtags: Welche Einstellungen sind wo möglich? Wie ist der Ablauf für die Beteiligten am Angenehmsten? Letzte dekorative Aufhübscharbeiten am Set und wir können loslegen.
Kurz darauf beginnt alles mit den ersten Gusseisen-Parts. Felix singt sich warm, die Nervosität geht zurück, eine Menge Einstellungen entstehen. Nebenbei werden die kleinen Probleme mit der Lautstärke des Playbacks gefixt. Dann der Umbau: Es beginnt mit den Spielszenen. Auch das funktioniert erstaunlich gut; insbesondere, wenn man bedenkt, dass die meisten Kleindarsteller das erste Mal vor der Kamera stehen. Und so arbeiten wir uns zügig bis zur Bruchstelle in der Mitte: Die Frauen werden von Felix angezogen und fallen in Ohnmacht. Mittagspause! Übrigens eine gute Zeit, das bisher geschossene Material zu sichern.
Nach dem Mittag geht es dann in die Vollen: Die weiblichen Darsteller werden frisch geschminkt und ich bereite die Spezialeffekte vor. Tage vorher habe ich ca. 15 Liter Kunstblut hergestellt. Das muss reichen ;). Und so drehen wir zuerst die Massenszenen – viel Gerangel und Kämpfe, um später im Schnitt genug Material zu haben. Die Kamera natürlich immer im Cannibal Holocaust-Dokustil dabei. Danach sind die Effekte an der Reihe: Ein Darsteller nach dem anderen wird kurz und schmerzlos um die Ecke gebracht
– im Rahmen des Videoclips natürlich.
Schließlich kommt das große Finale an die Reihe: Die mutierten Damen wollen sich auf Felix Gusseisen stürzen, der aber die doppelläufige Flinte zieht und reinen Tisch macht. Lustigerweise haben wir im Video die kurze Variante der Flinte gewählt. Wir hatten noch ein Alternativmodell mit deutlich längerem Lauf zur Hand, aber das wirkte sogar für dieses Video zu überdimensioniert. Einige Darstellerinnen dürfen noch Stuntarbeit verrichten. Dazu bereiten wir diverse Kisten und Matten vor, auf die sie sich stürzen können.
Nach den letzten Einstellungen von Felix und Christian, dem Musiker, ist auch der Barkeeper noch einmal an der Reihe. Wie sagte doch Cheech Marin in Desperado
so schön? Der Barkeeper wird niemals getötet.
Nach ziemlich genau acht Stunden sind wir fertig. Für einen Dreh mit einer großen Zahl an Darstellern, Einstellungen und Effekten ist das zeitlich äußerst gut. Jetzt folgt nur noch das Zusammenpacken und ich kann mich mit einem ganzen Schwung schönem Material auf den Heimweg machen.
In den kommenden Wochen arbeite ich am Schnitt. Zu Beginn sind die Gesangsparts dran, da diese natürlich synchron sein müssen, danach kommen die Spielszenen an die Reihe. Nach Beendigung des Schnitts kommt die wirklich interessante und aufwendigere Arbeit: Das Verfremden des Materials mit diversen Filtern. Das beinhaltet die normale
Farbkorrektur, diverse Effekte zur Herstellung von Abnutzungserscheinungen und Farbverschiebungen. Dazu baue ich noch ein paar Bildsprünge und ein, zwei Asynchronitäten ein, damit der gewollte Effekt der abgenutzten Kopie noch stärker zu Tage tritt.
Am 17.09. findet schließlich die Premiere statt (tatsächlich erst tags zuvor passe ich die letzten nachsynchronisierten Stellen an). Die Anwesenden sind begeistert – der Veröffentlichung am Folgetag steht nichts mehr entgegen.
Eine Frage, die mir in den letzten eineinhalb Wochen des Öfteren gestellt wurde: Wie kommt man überhaupt darauf, zu einem Schlager solch ein Musikvideo zu drehen? Wer Felix Gusseisens Song hört, wird sehr schnell merken, dass es sich um eine Parodie auf Florian Silbereisen, Helene Fischer und das Genre im Allgemeinen handelt. Und genau diesen Aspekt wollten wir noch deutlich verstärken, indem wir das Video in Over-the-top-Manier auf ein himmelschreiend trashiges Niveau heben.
Wer das Video noch nicht gesehen hat, dem sei herzlichst empfohlen, einmal hier reinzuschauen: http://rrr-audiovisuelle-medien.de/melodien.
Für alle Fans des Songs noch ein Hinweis: Auf der offiziellen Seite www.felix-gusseisen.de kann man derzeit Melodien der Weiblichkeit
als .mp3-Datei kostenlos herunterladen!
Bis zum nächsten Mal,
Lars Dreyer-Winkelmann