Spuren im Wüstensand
Das alte Ägypten fasziniert die Menschen seit Jahrtausenden. So gilt das es seit rund 5000 Jahren als wichtige Hochkultur der alten Welt, die – ebenso wie zuvor die Hochkulturen des Zweistromlands mit ihren wichtigen Stadtstaaten wie Uruk etc. – andere Völker und Kulturen mitgeprägt haben (ebenfalls nicht zu unterschätzen sind in diesem Zusammenhang die Phönizier, die als Händler und tüchtige Seefahrer viele Neuerungen in die alte Welt brachten). Wenn auch der Einfluss Ägyptens in den Jahrhunderten vor Christus unter persischer, griechischer bzw. römischer Herrschaft deutlich nachließ, so darf nicht vergessen werden, dass sich mit der Bibliothek von Alexandria die zur damaligen Zeit wichtigste und umfangreichste Sammlung gebündelten Wissens im Lande befand. Auch tauchen die Ägypter an wichtigen Stellen der Bibel auf und sind dadurch für den jüdischen (und letztlich auch den christlichen) Glauben von wichtiger Bedeutung. In diesem Zusammenhang darf man nicht außer Acht lassen, dass – zu Zeiten, in denen der Glaube an viele Götter alltäglich war – der Pharao Amenophis IV., der „Ketzerpharao“, unter dem selbstgewählten Namen Echnaton derjenige war, der als erster den Monotheismus, also den Glauben an einen einzigen Gott, einzuführen gedachte. Und das 1400 Jahre vor Christus, also zu einer Zeit, in der die semitischen Nomadenstämme langsam aber sicher eine Gemeinschaft formten, aus der später das jüdische Volk hervorging. Solch revolutionäre Ideen wurden damals nicht gern gesehen, weshalb Echnaton wahrscheinlich ermordet und sein Andenken getilgt wurde, das heißt, dass beispielsweise sein Name aus Inschriften entfernt und Statuen mit seinem Bildnis zerstört wurden. Zwei wichtige Personen aus Echnatons Umfeld sind seine Frau Nofretete und sein Sohn Tutanchamun.
Viel prägnanter für das kollektive Bewusstsein waren und sind die monumentalen Bauwerke: die Tempel, Statuen und natürlich die Pyramiden des Alten Reichs (angefangen bei Djoser, mit den Pyramiden von Gizeh von Cheops, Chefren und Mykerinos als Höhepunkte). Später ging man (wieder) dazu über, Pharaonen und wichtige Beamte in Felsengräbern zu bestatten.
Im Laufe der Jahrhunderte nahm die Bedeutung des Landes unter byzantinischer bzw. islamischer Herrschaft stark ab. Erst die Ägyptenexpedition Napoleons zwischen 1798 und 1802 schränkte die osmanische Herrschaft der vergangenen drei Jahrhunderte ein. In der sogenannten „Muhammad-Ali-Dynastie“ gehörte das Land zwar offiziell weiter zum osmanischen Reich, errang aber wieder eine gewisse Selbstständigkeit und wirtschaftliche Bedeutung. Spätestens unter der britischen Herrschaft ab 1882 wurden die durch die Franzosen begonnenen Ausgrabungen und Forschungen intensiviert, sodass im Laufe des 19. und insbesondere zu Beginn des 20. Jahrhunderts massenhaft Exponate zu Tage geführt wurden.
Kein Fall für Sherlock Holmes
Sir Arthur Conan Doyle ist wahrscheinlich der Autor, der den Großteil der prägenden Elemente für die späteren Mumienfilme in seinen zwei Kurzgeschichten Der Ring des Thot (The Ring of Thoth, 1890) und Die Mumie (Lot No. 249, 1892) vorgab: Einerseits die Jahrtausende überdauernde Liebe, andererseits eine Mumie als Racheinstrument und Mordwerkzeug. Durch die Entdeckung des Grabes von Tutanchamun durch Howard Carter im November 1922 mit anschließender Öffnung der Grabkammer im Februar 1923 wurde eine Welle losgetreten, in der immer wieder von einem „Fluch des Pharaos“ die Rede war. Angeblich existierte eine Tontafel mit einer Warnung an Eindringlinge, dass diese auf Grund ihrer liederlichen Tat sterben müssten, die aber bis heute nicht belegt werden konnte. In den Jahren nach der Graböffnung starben zwar tatsächlich einige Teilnehmer der Ausgrabung, aber diese waren zum Teil schon vorher krank gewesen. Dennoch war natürlich die Rede vom Fluch auf Jahre hinaus ein gefundenes Fressen für die Presse.
Filmischer Mumienhorror
Auf der Suche nach einem neuen Stoff für Boris Karloff kam Universal schließlich auf DIE MUMIE (THE MUMMY, 1932). Hier ist der britische Frankenstein-Star als mittels einer alten Schriftrolle wiedererweckter Imhotep auf der Suche nach seiner großen Liebe. Mehr als in den nachfolgenden Filmen überwiegt hier das Drama, wirklich horrible Momente stellen sich kaum ein. In den Vierzigern schickte Universal die Mumie Kharis ganze viermal innerhalb weniger Jahre ins Rennen, jeweils getrieben von einem Nachfahren der Priesterkaste, der die Ungläubigen für das Entweihen der Grabstätte von Prinzessin Ananka bestrafen will.
Insbesondere den Kharis-Filmen ist dann auch das Hammer-Remake von THE MUMMY (DIE RACHE DER PHARAONEN, 1959) verpflichtet, taucht Kharis doch hier als Bestrafer der Expeditionsteilnehmer unter dem Einfluss von Mehmet Bey auf. Dennoch dürfte Terence Fishers Film als bester klassischer Mumienfilm gelten, der nicht nur sehr atmosphärisch gefilmt ist, sondern mit seiner relativ agilen Mumie auch eine bedrohliche Kreatur ins Rennen schickt.
Anders sieht es da schon im vorliegenden zweiten Hammer-Mumienfilm DIE RACHE DES PHARAO (THE CURSE OF THE MUMMY’S TOMB) aus, denn die Mumie Ra-Antef ist wieder von der eher behäbigen Sorte, was bedeutet, dass ihre Opfer zwangsläufig nicht mehr fliehen können oder vor Schock erstarrt sein müssen. Problematisch an der Präsentation Ra-Antefs ist sicherlich auch, dass die Maske kaum mimisches Spiel zulässt (,das mutmaßlich vom Stuntman und Schauspieler Dickie Owen auch kaum geliefert werden konnte,) und die Mumie sich relativ normal und menschlich bewegt.
Das Drehbuch dieses Films stammte von Michael Carreras, der für diese Aufgabe das Pseudonym Henry Younger wählte, eine scherzhafte Anspielung auf seinen Produzentenkollegen Tony Hinds, der seit 1961 ebenfalls Drehbücher schrieb und dafür den Namen John Elder wählte. Man muss Hammer zu Gute halten, dass sie bei all ihren Mumienfilmen darum bemüht waren, die Geschichten anders anzugehen. So ist die Mumie im Nachfolger DER FLUCH DER MUMIE (THE MUMMY’S SHROUD, 1967, Regie: John Gilling) zwar ebenfalls ein Rachewerkzeug, aber großer Wert wird auf die unterschiedlichen Charaktere der Ausgrabungsteilnehmer und ihre Spannungen untereinander gelegt. Im finalen Mumienfilm DAS GRAB DER BLUTIGEN MUMIE (BLOOD FROM THE MUMMY’S TOMB, 1971, Regie: Seth Holt und Michael Carreras) wird schließlich sogar auf eine klassische Mumie verzichtet und vielmehr Bram Stokers Novelle JEWEL OF THE SEVEN STARS adaptiert, die einige Jahre später auch für das Charlton-Heston-Vehikel DAS ERWACHEN DER SPHINX (THE AWAKENING, 1980, Regie: Mike Newell) herhalten musste.
Kolonialismus und Romantik
Was man dem Drehbuch und letztlich dem Film definitiv ankreiden muss, ist der zumindest kolonialistisch bis hin zu rassistisch geprägte Unterton des Films. So werden die Ägypter zu einem großen Teil als ungebildete Untermenschen gezeichnet: Beispielsweise rülpst Michael Ripper als ägyptischer Arbeiter aufs Stichwort, nachdem King ein „ausgezeichnetes orientalisches Essen“ in Aussicht gestellt hat und weist die Schuld von sich auf die Mumie in ihrem Sarkophag. Wenig später kommt ein Bote ins Restaurant, um King und seinen Begleitern eine Nachricht aus dem Lager zu bringen. Als sie aufbrechen, steckt er schnell das von King auf den Tisch gelegte Geld ein.
Die Bösewichte, die zu Beginn den Professor töten, sind nicht nur mittels Blackfacing auf afrikanisch getrimmt worden (wohingegen andere kaukasische Schauspieler nicht dunkler geschminkt wurden), sondern werden auch als grausame und freudig-sadistische Unmenschen präsentiert. Als immerhin gesellschaftlich reaktionär muss auch der Moment gelten, in dem Annette sich im Gespräch mit dem sie bezirzenden Adam förmlich danach sehnt, an Heim und Herd gebunden zu werden.
Besser macht es der Film hinsichtlich der Idee, mit King einen Schausteller einzuführen, der die Mumie und die Grabfunde gewinnbringend einsetzen will, da im 19. Jahrhundert nicht nur Mumien-Partys abgehalten wurden, bei denen – vor allem vornehmlich in England in wohlhabenden bzw. adeligen Kreisen – ägyptische Mumien ausgewickelt wurden, um eine spannende, gruselige Erfahrung zu erleben und nebenbei vielleicht auch die Chance auf verborgenen Schmuck zu haben, auch das einfache Volk konnte auf Jahrmärkten Mumien und Beiwerk bestaunen, wobei die Echtheit der dargebotenen Exponate zumindest zum Teil bezweifelt werden darf.
Ansonsten ist die Geschichte leider recht episodenhaft und insbesondere in der Charakterentwicklung sehr sprunghaft. So ist der Auftakt eigentlich gut gelungen, doch das romantische Techtelmechtel zwischen Adam und Annette wird im Mittelteil etwas zu sehr in den Vordergrund gerückt, in dem einem John schon etwas leid tun kann, so sehr wie Adam um Annette herumscharwenzelt und sie seinem Werben auch erliegt. Neben Entrepreneur King als offiziellem Spaßmacher werden auch einige Nebencharaktere immer wieder mit humoristischen Anwandlungen präsentiert, was der bedrohlichen Wirkung des Films ebenfalls abträglich ist. Auch ist Hashmi Beys plötzliche Wandlung zum willfährigen Opfer etwas merkwürdig, da er zuvor eigentlich den Eindruck eines recht aufgeklärten Menschen machte, der die Mordserie beenden möchte. Zudem befindet sich John Bray in dieser Szene im gleichen Zimmer, wird aber aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht von Ra-Antef attackiert und getötet. Stattdessen verlässt die Mumie nach Hashmis Tod seelenruhig den Raum, obwohl er doch gerade John töten sollte. Man sollte sich auch tunlichst nicht fragen, warum die Mumie schließlich am Ende Selbstmord verübt… Nein, über ein gutes Drehbuch verfügt der Film wahrlich nicht.
Zu Gute halten muss man ihm definitiv seine optischen Schauwerte. Auch, wenn der Film mit Ausnahme von ein klein wenig Archivmaterial zu Beginn ausschließlich im Studio entstanden ist, so gelingen ihm doch durch die zuverlässige Ausstattung Bernard Robinsons und die sehr agile Kamera Otto Hellers einige sehr schön anzuschauende Momente. Die kurze Sequenz mit dem Schiff auf der Überfahrt nach England stammt übrigens aus Roy Bakers Film DIE LETZTE NACHT DER TITANIC (A NIGHT TO REMEMBER, 1958). Als Vorteil erwies sich möglicherweise, dass Hammer für diesen Begleitfilm zum in Bray produzierten DIE BRENNENDEN AUGEN VON SCHLOSS BARTIMORE (THE GORGON, 1964, Regie: Terence Fisher) in die Elstree-Studios ausweichen musste, da Hammers Heimstudio auf Grund der engen Räume kaum so elaborate Kamerafahrten ermöglichte, wie sie letztlich im Film präsentiert werden.
Der Vater der Mumie
Michael Carreras war nicht nur Autor und Produzent, sondern auch Regisseur des Films. Darüber hinaus verkörperte er die dritte Generation der Familie Carreras bei Hammer. Die Hammer Productions Ltd. wurde 1934 von Will Hammer alias William Hinds gegründet. Darüber hinaus gründete er 1935 zusammen mit Enriqué Carreras, Michaels Großvater, den Vertrieb Exclusive. 1947 wurde dann aus Hammer die Produktionstochter für Exclusive. Die richtige Hammer Films Productions Ltd. wurde schließlich im Februar 1949 mit William Hinds, Enriqué Carreras, Anthony Hinds und James Carreras als Geschäftsführern registriert. In der Folge entstand dann hauptsächlich eine Reihe von Co-Produktionen mit dem US-Produzenten und Verleiher Robert L. Lippert, bis sich Hammer schließlich mit SHOCK (THE QUATERMASS XPERIMENT, 1955, Regie: Val Guest) neu orientierte. Exclusive wurde mehr oder minder auf Eis gelegt, bis das Unternehmen letztlich 1968 endgültig begraben wurde.
Als James Carreras im Krieg war, kam sein am 21. Dezember 1927 geborener Sohn Michael im Jahre 1943 in die Firma. Zusammen mit Tony Hinds schnupperte er in viele verschiedene Bereiche hinein, darunter auch die Buchhaltung und Werbeabteilung. Nach seinem Militärdienst kehrte er zu Hammer-Exclusive zurück und arbeitete, wie Tony Hinds auch, in allen möglichen Bereichen, bis schließlich beide Produzenten wurden, obwohl sie eigentlich gerne als Drehbuchautoren tätig sein wollten.
1961 verließ Michael Carreras Hammer temporär, um mit seiner eigenen kurzlebigen Firma Capricorn Films selbstständig zu produzieren. In einem Interview aus dem Jahre 1973 sagte er dazu: „Der Grund, warum ich die Firma verließ, war, dass ich einfach eine neue Umgebung wollte – so wie es wohl jedem irgendwann geht. Ich wollte die Branche nicht verlassen, sondern andere Aspekte kennenlernen. Ich wollte andere Filme machen, was ich auch gleich tat: ein Musical namens WHAT A CRAZY WORLD, bei dem ich mitschrieb und Regie führte, und dann einen Western namens BIS AUFS BLUT (THE SAVAGE GUNS), der übrigens der erste Western war, der im spanischen Almeria gedreht wurde. Ich wollte mit unterschiedlichen Themen experimentieren, denn Hammer hatte zu der Zeit ein starres Schema – ein erfolgreiches Schema zwar, aber nichtsdestotrotz starr. Gleichzeitig wollte ich umfangreiche Erfahrungen sammeln, damit ich sie später bei Hammer einbringen konnte – denn ich wollte ja wieder zurückkommen, weil es eine Familienangelegenheit war .“
Schon kurze Zeit später arbeitete er wieder freiberuflich für Hammer, vorrangig als Produzent, aber auch als Autor und Regisseur, u. a. für DER SKLAVE DER AMAZONEN (SLAVE GIRLS, 1967) und BESTIEN LAUERN VOR CARACAS (THE LOST CONTINENT, 1968). Ende der 60er versuchte sein Vater vergeblich, ihn wieder fest als Produzenten in die Firma zu holen. Im Januar 1971 sagte er schließlich doch zu und wurde Geschäftsführer, bis er im August 1972 die Firma von seinem Vater kaufte. Seine Pläne, Hammer breiter aufzustellen (Bücher, Platten, Entertainment-Komplexe) zerschlugen sich auf Grund der finanziell schlechten Situation der Firma und einer anhaltenden Erfolglosigkeit der späteren Produktionen. Sein Traum, dass einer seiner drei Söhne die Firma in vierter Generation weiterführen würde, zerschlug sich.
Lars Dreyer-Winkelmann